1. Einleitung
Vorhofflimmern stellt heutzutage die häufigste Herzrhythmusstörung der Allgemeinbevölkerung mit einer in Deutschland bestehenden Prävalenz von 1% dar1, 2. Diese Zahl dürfte aufgrund des hohen Anteils an asymptomatischen Patienten, also Patienten, denen die typischen Symptome des Vorhofflimmerns wie Palpitationen, Unruhe und zum Teil Schwindel fehlen, als zu niedrig eingestuft werden3. Aufgrund des zu erwartenden zunehmenden Lebensalters der Bevölkerung wird auch die Zahl der zukünftig an Vorhofflimmern erkrankten Patienten exponentiell zunehmen, da in der Gruppe der über 80 jährigen die Prävalenz des Vorhofflimmerns schon bei über 16% liegt. Somit stellt die Diagnose Vorhofflimmern aufgrund der mit dieser Herzrhythmusstörung einhergehenden gesundheitlichen Risiken einen hohen Kostenfaktor des Gesundheitssystems dar5.
1.1 Komorbidität des Vorhofflimmerns
Die schwerwiegendste Komplikation des Vorhofflimmerns stellt der Schlaganfall dar5. Allgemein tritt diese Erkrankung in Deutschland mit einer Häufigkeit von 8% der Gesamtbevölkerung auf, in der Gruppe der über 65 Jährigen sogar von 16%. Ca. 15% dieser Schlaganfälle sind durch Vorhofflimmern bedingt6. Erfolgen diese Schlaganfälle im Zuge der atrialen Arrhythmie, besitzen diese zerebralen Ischämien ein deutlich schwerwiegenderes klinisches Ausmaß. Der Schlaganfall stellt aktuell die 3. häufigste Todesursache in der westlichen Zivilisation dar, so dass Vorhofflimmern mit der damit einhergehenden Komplikation des embolischen Hirninfarktes zusätzlich einen wesentlichen Beitrag zur Mortalität der Allgemeinbevölkerung einnimmt5.
1.2 Therapie des Vorhofflimmerns
Die initiale Therapie des Vorhofflimmerns ist zunächst eine medikamentöse Therapie mit zwei Strategien: 1. – Rhythmuskontrolle, 2. – Frequenzkontrolle. Randomisierte Studien konnten jedoch keinen signifikanten Überlebensvorteil für beide Strategien aufzeigen7. Die zur Rhythmuskontrolle eingesetzten Antiarrhythmika sind oft unzureichend effektiv oder werden aufgrund von Nebenwirkungen nicht toleriert8.
2. Chirurgische Therapie des Vorhofflimmerns
Jede zur Behandlung des Vorhofflimmerns eingesetzte chirurgische Therapie beinhaltet eine Zerstörung kardialen Muskelgewebes, um somit durch Narbenentstehung eine elektrische Impulsausbreitung zu verhindern. Die primäre chirurgische Behandlung des Vorhofflimmerns erfolgte zunächst in den 80er Jahren mittels der sogenannten „Korridor Operation“9, bei der durch chirurgische Narbenbildung im gesunden Vorhofmyokard ein Korridor geschaffen wurde, durch den elektrische Impulse vom Sinusknoten zum AV Knoten gelangen können. Jedoch besteht bei dieser Form der Operation weiter ein fibrillierendes Vorhofmyokard, so dass das Risiko der Thrombembolie fortbesteht. Eine Weiterentwicklung dieser Operationstechnik gelang Dr. James Cox in Zusammenarbeit mit dem Kardiologen John Boineau und dem Physiologen Richard Schuessler 1987 durch Entwicklung der MAZE Operation10. Diese Operation, auch bekannt als „MAZE III“ oder „Cut and Sew“ Eingriff, beinhaltet die Entstehung multipler Vorhofnarben nach chirurgischer Inzision, um somit möglichst viele Reentrymechanismen zu unterbrechen. Die elektrische Erregung wird durch diesen „Narben-Irrgarten“ vom Sinusknoten zum AV Knoten geführt, durch Fixation der atrialen Refraktärperiode zwischen dem Narbengeflecht wird ein elektrischer Reentry deutlich verringert (Abb. 1).
Die Erfolgsraten dieser Operationen waren zunächst sehr vielversprechend in Bezug auf Restoration eines Sinusrhythmus und der Vermeidung von Schlaganfällen11, 12. Jedoch erfolgten die Nachuntersuchungen der Patienten nur unzureichend und basierten zumeist auf Telefoninterviews. Aufgrund der langen Operationszeit und der hohen Komplikationsrate (Nachblutung, Schrittmacherimplantation bis zu 40%, Flüssigkeitsretention, geringe atriale Transportfunktion) erhielt diese Operation keine höhere Akzeptanz in der chirurgischen wie auch der kardiologischen Gesellschaft. Durch Entwicklung neuer komplikationsarmer Technologien zum gezielten Entstehen von Narbengewebe, wie z.B. die uni- oder bipolare Radiofrequenzablation, die flüssigkeitsgekühlte unipolare Radiofrequenzablation, die Kryoablation oder die hochintensive fokussierte Ultraschallablation, wurde die chirurgische Ablationstherapie wieder in den Fokus der Herzchirurgie gerückt13, 14. So zeigt eine Auswertung der STS Datenbasis der amerikanischen Gesellschaft für Herz- Thorax- und Gefäßchirurgie, dass in dem Zeitraum von 2004 bis 2006 eine Zunahme der intraoperativen begleitenden chirurgischen Ablation des Vorhofflimmerns mittels moderner Technologien von 100% zu verzeichnen ist15. Die berichteten Erfolgsraten dieser modernen Technologien im Rahmen einer chirurgischen Ablationstherapie entsprechen nur zum Teil denen der originären MAZE III Operation, jedoch wurden in jener Arbeit ein Großteil der Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern und fehlender struktureller Herzerkrankung behandelt16.
2.1 Aktuelle Richtlinien zur chirurgischen Ablationstherapie
Für die begleitende Ablation während einer Herzoperation gilt in Anlehnung an das 2012 in Zusammenarbeit von Kardiologen und Kardiochirurgen erschienene Konsensuspapier sowie der im Jahr 2014 erschienenen Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie, dass eine zusätzliche chirurgische Ablation bei allen symptomatischen kardiochirurgischen Patienten (Evidenzklasse IIa, Level A) erfolgen sollte. Bei asymptomatischen kardiochirurgischen Patienten sollte eine zusätzliche Ablation dann erfolgen, wenn die Ablationstherapie kein erhöhtes Risiko für den Patienten darstellt (Evidenzklasse IIb, Level C)17,18. Dieses ist durch Einsatz moderner Ablationstechnologien nahezu bei jeder Operation gewährleistet14.
2.2 Stand alone Prozedur
Die zunehmende Anzahl katheterbasierter Ablationstherapien des Vorhofflimmerns, insbesondere bei Patienten mit persistierender Herzrhythmusstörung, geht mit einer erhöhten Rate von therapeutischen Misserfolgen (ca. 30% Vorhofflimmerrezidiv nach ≥ 2 Therapieversuchen) einher19. Die chirurgische Ablationstherapie als „stand alone Prozedur“ besitzt in diesem Szenario einen deutlichen Stellenwert20. So empfehlen die Autoren der europäischen kardiologischen Richtlinien, dass nach erfolgloser Katheterintervention zur Behandlung des Vorhofflimmerns die chirurgische „stand alone Prozedur“ in minimal invasiver Technik durchgeführt werden sollte (Evidenzklasse IIb, Level C)18. Bei dieser, einer Katheterablation nachgeschalteten alleinigen chirurgischen Therapie des Vorhofflimmerns, können Erfolgsraten von bis zu 90% bei Patienten ohne antiarrhythmische Medikation erreicht werden20, 21. Eine eindeutige Studienlage zum exakten Zeitpunkt des Einsatzes der chirurgischen Therapie steht bis dato jedoch aus.
Erfolgt eine gezielte kardiochirurgische Behandlung des Vorhofflimmerns als „stand alone Prozedur“, müssen gewisse Bedingungen beachtet werden. So sollte der Ablationserfolg hoch und durch eine einmalige Therapie erreicht werden. Um diesen Voraussetzungen gerecht zu werden, muss zwingend eine transmurale Ablationsnarbe erzeugt werden, zusätzlich ist zur Verbesserung der Erfolgsrate ein möglichst großes muskuläres Vorhofareal elektrisch zu isolieren10, 23
2.3 „Stand alone Prozedur“ und Herzlungenmaschine
Bei persistierendem Vorhofflimmern oder aber nach fehlgeschlagener Katheterablation bei Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern wird aufgrund der häufig biatrialen Genese dieser Herzrhythmusstörung die biatriale Kryo oder bipolare MAZE IV Ablation empfohlen21, 23, 24, 25. Diese Verfahren stellen heutzutage die etabliertesten und am besten wissenschaftlich dokumentierten endokardialen Ablationsstrategien dar. Die in diesen Verfahren eingesetzten Energiequellen weisen in Bezug auf die geforderte Transmuralität gute bis sehr gute Ergebnisse auf13, 26. Beide Ablationsstrategien können minimal invasiv unilateral, jedoch nur unter Zuhilfenahme der Herz-Lungenmaschine, durchgeführt werden, ebenso gelingt eine vollständige Entfernung des linken Vorhofohres21, 27.
2.4 Kälteverfahren und bipolare Hochfrequenzenergie -endokardial
Nach Eröffnen der rechten Thoraxapertur mittels eines ca. 5 cm langen submamillären Schnittes im 4. oder 5. ICR (Abb. 3) und Eröffnen des linken und rechten Vorhofes im kardioplegischen Herzstillstand oder am fibrillierenden Herzen werden alle Ablationslinien der originären MAZE III Operation mithilfe einer aus Metall bestehenden Kryosonde [Abb. 3] oder einer bipolaren Klemme endokardial angelegt. Zusätzlich wird das linke Vorhofohr chirurgisch entfernt oder übernäht. Im Rahmen der Kryotherapie wird durch Herabkühlen des kardialen Gewebes auf mindestens -50°C eine irreversible Schädigung der Muskelzellen erzielt, ohne jedoch die Integrität der Zelloberfläche zu zerstören. Dieses hat eine verringerte Thrombenentwicklung während der Narbenverheilung im Bereich dieser Linien zur Folge.
Durch Verwendung der bipolaren Klemme wird eine thermische Zerstörung der Zellintegrität erreicht, wodurch die Möglichkeit einer Thrombenentwicklung in der frühen postoperativen Phase erhöht ist. Die Erfolgsraten beider minmal invasiver „stand alone“ Methoden ähneln denen der von James Cox berichteten Originalarbeit (87-93% Konversionsrate je nach follow-up Strategie) 20, 21.
2.5 „Stand alone Prozedur“ ohne Herzlungenmaschine
Einen weiteren modernen kardiochirurgischen Ansatz zur Behandlung des persistierenden Vorhofflimmerns stellen die epikardiale Ablation mittels uni-/bipolarem Strom dar.30. Dieses Verfahren ist ohne Einsatz der Herzlungenmaschine möglich, jedoch gelingt die Ablationslinienführung nur im Bereich des linken Vorhofes, was eine verringerte Erfolgsrate zur Entstehung eines Sinusrhythmus zur Folge haben kann23,24, 25.
2.6 Uni-/Bipolare Hochfrequenzenrergie
Durch Einsatz des neuen rein thorakoskopischen uni-/bipolaren Ablationsverfahrens gelingt eine Substratmodifikation des linken Vorhofes mit eventuell additiver Entfernung des linken Vorhofohres30, 31. Bei der rein thorakoskopischen Ablationsstrategie mittels Einbringen von jeweils 3 Ports in beide Thoraxhälften und Insuflation von CO2 können nach Eröffnen des Perikards beide Pulmonalvenenpaare, durch Herstellen einer box lesion das Antrum des linken Vorhofes und durch eine lineare Ablationslinie im Bereich des linken Vorhofdaches der linksatriale Isthmus abladiert werden (Abb. 5). Zusätzlich ist das Aufsuchen und Abladieren der kardialen Ganglien im Bereich der interatrialen Falte und des Marschallbandes möglich. Die vollständige Resektion des linken Vorhofohres gelingt durch Einsatz eines Klammergerätes oder eines Vorhofohrclips.
Dieses junge kardiochirurgische Verfahren zur Behandlung des persistierenden Vorhofflimmerns wird seit 2009 in Deutschland eingesetzt30, eine nach aktuellen Richtlinien durchgeführte Nachsorge erbracht einen hohen Therapieerfolg.
2.7 Zusammenfassung
Aufgrund der erhöhten Morbidität bei Patienten mit Vorhofflimmern und geplantem herzchirurgischem Eingriff ist eine additive perioperative Ablation (konkomitant) zur Terminierung der atrialen Herzrhythmusstörung bei symptomatischen und auch asymptomatischen Patienten indiziert. Eine alleinige initiale oder aber nach erfolgloser Katherterablation durchgeführte chirurgische Therapie des Vorhofflimmerns („stand-alone Prozedur“) kann z.B. mittels minimal invasivem Verfahren angeboten werden. Eine hohe Erfolgsrate in Bezug auf Wiederherstellen eines Sinusrhythmus und Vermeidung von zerebralen Ischämien erzielen hierbei endokardiale Verfahren unter Zuhilfenahme der extrakorporalen Zirkulation. Durch alternative Verwendung epikardialer linksatrialer und insbesondere rein thorakoskopischer Verfahren wird ein hohes Maß an minimaler Invasivität mit gutem Therapieerfolg zur Behandlung des Vorhofflimmerns erzielt.
Abbildungen
[aus: Rodriguez et al. Minimally Invasive Bi-Atrial Cryo Maze Operation for Atrial Fibrillation. Operative Techniques in Thoracic and Cardiovascular Surgery, 2009;4: 208-223].